… Wenn man so neu ist im Senegal
Wir befinden uns mitten im Verkehrsgewühl bestehend aus
den teuren PKWs der Touristen und Einheimischen, die auf ihre Art, voll Glauben
und Hoffnung, ihre Wege suchen.
Nach einer durchzechten Nacht befinden wir uns dort, standfest morgen, s früh um 4
Uhr gegenüber einer Boulangerie. Es riecht lecker nach den ersten Baguette.
Wir sitzen am Straßenrand , ein Flasche
Coca Cola und ein warmes Baguette in der Hand und warteten auf das erste Sammeltaxi,
das uns in Richtung Casamance bringen soll.
Ich bin gewarnt worden und habe nun die Gelegenheit, mich
in Geduld zu üben. Zuerst bin ich noch
munter, ja euphorisch, noch leicht zugedröhnt von der durchtanzten Nacht. Doch
langsam kommt Unmut in mir hoch. Das dauert!
Aus
dem schummrigen Licht der Straße schälen sich langsam Gestalten. Beim Anblick
der Frauen, Männer, Kinder, alle wohl auf dem Weg in die Casamance, denke ich,
wir sind zu früh, denn niemand scheint in Eile zu sein. Endlich nähert sich langsam
ein Licht. Ein kleiner Bus tuckert die Straße entlang, stinkend, rauchend und
scheppernd und stoppt schließlich. Ab
geht die Reise Richtung Kaolack.
Normalerweise sitzen die Frauen
hinten und nicht vorn neben dem Fahrer. Doch diesmal machte der Fahrer eine
Ausnahme und Pap Kamara sitzt hinten, wo man kaum etwas sieht, denn die
Scheiben des Vehikels sind teilweise mit
Pappkarton verklebt. Intakte Scheiben gibt es nicht wirklich. Doch ich habe
eine breite Front gesprungenen Fensterglases vor mir. Die Straße, wenn man sie
überhaupt so nennen soll, lässt mich auf- und niederspringen im Takt der
senegalesischen Trommelmusik. Doch all die Wehwechen sind mir egal mit dem
Gefühl des Abenteuers im Bauch. Bald steht die Sonne hoch oben und kleine
Rinnsale von Schweiß rennen mir den Körper hinunter. Leichte Duftwolke, ein
Gemisch aus Parfüm, Sonne, Fisch, Tabak und weiteren undefinierbaren
Komponenten zieht durch den Bus. Hie und da ein Schluck Coca Cola und ein Bissen warmes Baguette: so
lässt es sich so gut aushalten!
Wir
fahren an roter Erde vorbei, vereinzelten Erdnuss Feldern und Menschen, die in
Strohhütten leben und uns zuwinkten. Nach mehreren Kilometern Durchrütteln und
Hupkonzert erreichen wir den ersten Stopp. Es heisst umsteigen. Wieder gibt es
eine Wartezeit mit Diskussionen um Preis und Platzverteilung. Endlich ist das
Auto voll, diesmal ein Sechsplätzer und noch wackeliger als der vorherige Bus. Die
Türe an meiner Seite schliesst nicht so genau und es zieht aus allen Ecken und
Ritzen. Wir stossen weiter in den Süden vor, vorbei an Reisfeldern, in
denen Frauen bodentief und mit der Harke (oder einem ähnlichen Gebilde) in der
Hand im Wasser stehen. Sie singen fröhlich und eine alte Frau voll Runzeln,
zahnlos und mit einer Pfeife im Mund lacht mir zu. In diesem Moment wird mir
bewusst, wie die Welt auch sein kann. Es überkommt mich die leichte Trauer,
etwas vergessen, nie gehabt, nie gelebt zu haben angesichts der Einfachheit und
Heiterkeit dieser Menschen trotz ihrer offensichtlich schweren Arbeit. Doch ich
war nur auf der Durchfahrt und kann nicht durch die Reisfelder hindurch in ihr
wirkliches Leben schauen. Rasch werde ich aus meinen Träumereien gerissen durch
grüne Felder, Bäume, Hütten, Dörfer und vereinzelte Seen, die Luft erfüllt vom
Duft der Mangobäume, an denen wir vorbeituckern. Zwischendurch quietschten die
Reifen und Staub wird aufgewirbelt, weil Herden von Affen die Strasse
überqueren wollen – kleine rot-beige liebe Geschöpfe, denke ich. Doch später
erfahre ich, dass sie auch frech und recht aggressiv werden können und flink,
wie sie sind, alles aus den Autos klauen was sie sich schnappen können.
Immer
wieder ertönten Trommeln. Sie scheinen uns rufend vorauszueilen und uns
gleichsam anzukündigen im Dorf, welches unser Reiseziel ist.
Dann
sind wir angekommen im Ort, wo wir nun zuhause sind, einem Dorf der Mandingos.
Kinder und Erwachsene eilen auf uns zu. Ich war bald von Gelächter umringt und
werde nach meinem Namen gefragt. Hände ergreifen mich und führen mich zur Hütte
des alten Großvaters – er muss damals schon an die 100 Jahre alt sein.
Zögernden Schrittes nähere ich
mich ihm, voll Staunen über das gütige beruhigende Lachen in seinen Augen.
Durch einen Tränenschleier sehe ich es, doch Ruhe kommt über mich und ich fühle
mich gleichzeitig frei und geborgen, wenn ich in seine Augen schaue. Dann nimmt
der alte Mann die Hand seines Enkels, legt sie in mein und spricht mit leiser
Stimme Worte, die ich nicht verstehe, da sie in der Sprache der Mandingos sind.
Aber auch ohne zu verstehen, begreifen
was
vor sich geht: ich bin angekommen. Auf der stillen Fahrt des Nachdenkens
sagt mir Pap Kamara, du hast Glück, keine seiner Frauen hatt eine solche
Begegnung erfahren dürfen.
Kurze
Zeit später kommt die Nachricht seines Todes. Ein alter weiser Mandingo, einer
der letzten, war fort – unwiderruflich
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